Eines der traurigsten Dinge im Leben ist, dass ein Mensch viele gute Taten tun muss, um zu beweisen, dass er tüchtig ist, aber nur einen Fehler zu begehen braucht, um zu beweisen, dass er nichts taugt. – George Bernard Shaw (1856–1950)
7 Angewandte Objektorientierung
7.1 Schnittstellen in der Anwendung 

Während das Kapitel 6 das Konzept von Schnittstellen vorstellt, folgen in diesem Kapitel einige praktische Beispiele, wie die Java-Bibliothek selbst Interfaces nutzt und wie auch wir Schnittstellen nutzen können.
7.1.1 CharSequence als Beispiel einer Schnittstelle 

Bisher kennen wir die Klassen String, StringBuffer und StringBuilder, um Zeichenketten zu speichern und weiterzugeben. Ein String ist ein Wertobjekt und ein wichtiges Hilfsmittel in Programmen, da durch ihn unveränderliche Zeichenkettenwerte repräsentiert werden, während StringBuffer und StringBuilder veränderliche Zeichenfolgen umfassen. Aber wie sieht es aus, wenn eine Teilzeichenkette gefordert ist, bei der es egal sein soll, ob das Original als String-, StringBuffer oder StringBuilder-Objekt vorliegt?
Eine Lösung ist, alles in ein String-Objekt zu konvertieren. Möchte ein Programm eine Teilfolge liefern, auf die jemand lesend zugreifen möchte, die er aber nicht verändern können soll, ist ein String zu träge. Aus den beliebigen Zeichenfolgen müsste zuerst ein String-Objekt konstruiert werden. Daher haben die Entwickler seit der Version 1.4 die Schnittstelle CharSequence eingefügt, die eine unveränderliche, nur lesbare Sequenz von Zeichen realisiert. Die Schnittstelle implementieren die Klassen String sowie StringBuffer/StringBuilder. Methoden müssen sich also nicht mehr für konkrete Klassen entscheiden, sondern können einfach ein CharSequence-Objekt als Argument akzeptieren oder als Rückgabe weitergeben. Ein String und ein StringBuffer/StringBuilder-Objekt können zwar mehr, als CharSequence vorschreibt, beide lassen sich aber als CharSequence einsetzen, wenn das »Mehr« an Funktionalität nicht benötigt wird.
Abbildung 7.1 Einige implementierende Klassen für CharSequence
interface java.lang.CharSequence |
- char charAt( int index )
Liefert das Zeichen an der Stelle index.
- int length()
Gibt die Länge der Zeichensequenz zurück.
- CharSequence subSequence( int start, int end )
Liefert eine neue CharSequence von start bis end.
- String toString()
Gibt einen String der Sequenz zurück. Die Länge des toString()-Strings entspricht genau der Länge der Sequenz.
Beispiel Soll eine Methode eine Zeichenkette bekommen und ist die Herkunft egal, so implementieren wir etwa: void giveMeAText( CharSequence s ) { ... } statt der beiden Methoden: void giveMeAText( String s ) { ... } void giveMeAText( StringBuffer s ) { void giveMeAText( new String(s) ); // oder Ähnliches } |
Anwendung von CharSequence in String
In den Klassen String und StringBuffer/StringBuilder existiert eine Methode subSequence(), die ein CharSequence-Objekt liefert. Die Signatur ist in beiden Fällen die gleiche. Die Methode macht im Prinzip nichts anderes als ein substring(begin, end).
class java.lang.String implements CharSequence, ... class java.lang.StringBuffer implements CharSequence, ... class java.lang.StringBuilder implements CharSequence, ... |
- CharSequence subSequence( int beginIndex, int endIndex )
Liefert eine neue Zeichensequenz von String beziehungsweise StringBuffer.
Die Implementierung sieht so aus, dass mit substring() ein neuer Teilstring zurückgeliefert wird. Das ist eine einfache Lösung, aber nicht unbedingt die schnellste. Für String-Objekte ist das Erzeugen von Substrings ziemlich schnell, da die Methode speziell optimiert ist. Da Strings unveränderlich sind, wird einfach das gleiche char-Feld wie im Original-String verwendet, nur eine Verschiebung und ein Längenwert werden angepasst.
7.1.2 Die Schnittstelle Iterable 

Die erweiterte for-Schleife läuft nicht nur Felder (Arrays) ab, sondern alles, was vom Typ Iterable ist. Die Schnittstelle schreibt nur die Methode iterator() vor, die einen java.util.Iterator liefert, den das erweiterte for zum Durchlaufen verwendet.
interface java.lang.Iterable<T> |
- Iterator<T> iterator()
Liefert einen Iterator, der über alle Elemente vom Typ T iteriert.
Insbesondere die Datenstrukturklassen implementieren diese Schnittstelle, sodass mit dem erweiterten for praktisch durch Ergebnismengen iteriert werden kann.
Einen eigenen Iterable implementieren
Möchten wir selbst rechts neben dem Doppelpunkt vom erweiterten for stehen, müssen wir ein Objekt angeben, dessen Klasse Iterable implementiert und somit eine iterator()-Methode besitzt. iterator() muss dann einen passenden Iterator zurückgeben. Der wiederum muss die Methoden hasNext() und next() implementieren, um das nächste Element in der Aufzählung anzugeben und das Ende anzuzeigen. Zwar schreibt der Iterator auch remove() vor, doch das wird leer implementiert.
Unser Beispiel soll einen praktischen Iterable implementieren, um über Wörter eines Satzes zu gehen. Als grundlegende Implementierung dient der StringTokenizer, der über hasToken() die nächsten Teilfolgen und über hasMoreTokens() meldet, ob weitere Tokens ausgelesen werden können.
Beginnen wir mit dem ersten Teil, der Klasse WordIterable, die erst einmal Iterable implementieren muss, um auf der rechten Seite vom Punkt stehen zu können. Dann muss dieses Exemplar über iterator() einen Iterator zurückgeben, der über alle Wörter läuft. Dieser Iterator kann als eigene Klasse implementiert werden, doch wir implementieren die Klasse WordIterable so, dass sie Iterable und Iterator gleichzeitig verkörpert; daher ist nur ein Exemplar nötig.
Listing 7.1 com/tutego/insel/iterable/WordIterable.java
package com.tutego.insel.iterable; import java.util.*; class WordIterable implements Iterable<String>, Iterator<String> { private StringTokenizer st; public WordIterable( String s ) { st = new StringTokenizer( s ); } // Method from interface Iterable @Override public Iterator<String> iterator() { return this; } // Methods from interface Iterator @Override public boolean hasNext() { return st.hasMoreTokens(); } @Override public String next() { return st.nextToken(); } @Override public void remove() { // No remove. } }
Im Beispiel:
Listing 7.2 com/tutego/insel/iterable/WordIterableDemo.java, main()
String s = "Am Anfang war das Wort – am Ende die Phrase. (Stanislaw Jerzy Lec)"; for ( String word : new WordIterable(s) ) System.out.println( word );
Die erweiterte for-Schleife baut der (Eclipse-)Compiler um zu:
Object word; WordIterable worditerable; for ( Iterator iterator = (worditerable = new WordIterable(s)).iterator(); iterator.hasNext(); ) { word = iterator.next(); System.out.println( word ); }
7.1.3 Funktionszeiger 

Das folgende Beispiel implementiert Funktionszeiger über Schnittstellen. Es beginnt mit der Markierungsschnittstelle Operator.
Listing 7.3 com/tutego/insel/functions/Operator.java
package com.tutego.insel.functions; /** * Marker interface for all operators. */ public interface Operator { }
Sie soll Basis-Schnittstelle für Operatoren sein. Von dieser Schnittstelle wollen wir Binary-Operator ableiten, eine Schnittstelle mit einer Operation für zweistellige Operatoren.
Listing 7.4 com/tutego/insel/functions/BinaryOperator.java
package com.tutego.insel.functions; public interface BinaryOperator extends Operator { double calc( double a, double b ); }
Zum Test sollen die Operatoren für + und * implementiert werden:
Listing 7.5 com/tutego/insel/functions/MulOperator.java
package com.tutego.insel.functions; public class MulOperator implements BinaryOperator { public double calc( double a, double b ) { return a * b; } }
Listing 7.6 com/tutego/insel/functions/AddOperator.java
package com.tutego.insel.functions; public class AddOperator implements BinaryOperator { public double calc( double a, double b ) { return a + b; } }
Eine Sammlung von Operatoren speichert ein Operator-Manager. Bei ihm können wir dann über eine Kennung ein Berechnungsobjekt beziehen:
Listing 7.7 com/tutego/insel/functions/OperatorManager.java
package com.tutego.insel.functions; public class OperatorManager { public final static int ADD = 0; public final static int MUL = 1; private static Operator[] operators = { new AddOperator(), new MulOperator() }; public static Operator getOperator( int id ) { return operators[ id ]; } }
Wenn wir nun einen Operator wünschen, so fragen wir den OperatorManager nach dem passenden Objekt. Die Rückgabe wird ein Operator-Objekt sein, das wir auf BinaryOperator anpassen, da der Basistyp keine Funktionalität ermöglicht. Dann können wir die Methode calc() aufrufen:
BinaryOperator op = (BinaryOperator) OperatorManager.getOperator( OperatorManager.ADD ); System.out.println( op.calc( 12, 34 ) );
So verbirgt sich hinter jeder ID eine Methode, die wie ein Funktionszeiger verwendet werden kann. Noch interessanter ist es, die Methode in einen Assoziativspeicher einzusetzen und dann über einen Namen zu erfragen. Diese Implementierung nutzt kein Feld, sondern eine Datenstruktur Map. Eine Erweiterung der Idee verwendet dann auch gleich Enums und EnumMap zur Assoziation zwischen Aufzählung und Methode.